Millionen & Missverständnisse: Wie der Cousins-Deal zur Hypothek wurde

Fabian Weigl
Lesezeit: 14 Min.
Kirk Cousins - Ein American-Football-Spieler in einem schwarzen Trikot mit der Aufschrift „COUSINS“ und der Nummer 18 steht auf dem Spielfeld und blickt auf ein überfülltes Stadion – vielleicht denkt er gerade über seinen nächsten großen Cousins-Deal nach. Fans füllen die Tribüne, im Hintergrund sind weitere Spieler zu sehen. Diese Beschreibung wurde mit der FootballR KI automatisch generiert.
Foto: IMAGO / Icon Sportswire

Als die Atlanta Falcons Ende Mai die neue Saison starteten, fehlte eine der zentralen Figuren auf dem Trainingsfeld: Quarterback Kirk Cousins ließ die freiwilligen Organized Team Activities (OTAs) aus. Offiziell keine Pflichtveranstaltung, aber im NFL-Kosmos ein deutliches Zeichen. Gerade für einen Spielmacher, der noch im März 2024 mit großem Tamtam und einem Vierjahresvertrag über 180 Millionen Dollar nach Atlanta geholt worden war.

Die Abwesenheit Cousins’ kommt keineswegs aus dem Nichts – sie ist das jüngste Symptom eines tieferliegenden Problems. In nur wenigen Monaten hat sich das Narrativ rund um den 36-jährigen Veteran radikal verändert. Vom Hoffnungsträger zum Unsicherheitsfaktor. Vom Face oft he Franchise zum unerwünschten Luxus. Die Falcons wollten Stabilität, sie bekamen Turbulenz.

Anstelle eines konsequenten Kurses herrscht in Atlanta inzwischen ein irritierender Spagat zwischen Vision und Verlegenheit: Ein Team mit einem hochbezahlten Spielmacher auf der Bank und einem Rookie auf dem Vormarsch – während Fans, Analysten und offenbar auch Cousins selbst rätseln, wie dieses Missverständnis überhaupt entstehen konnte.

In diesem Artikel zeichnen wir den Weg dieses Bruchs nach: vom großen Wurf in der Free Agency bis zum Bankplatz im Mai 2025 – und beleuchten, warum das Projekt „Cousins in Atlanta“ vielleicht nie mehr war als ein teurer Irrtum mit Ansage. [1][2]

Der Kirk Cousins Vertrag – Groß denken, kurzfristig handeln

Als die Falcons Kirk Cousins im März 2024 unter Vertrag nahmen, wollten sie ein Zeichen setzen – für Stabilität, Führungsqualität und den Glauben an sofortige Wettbewerbsfähigkeit. Der Deal war spektakulär: vier Jahre, 180 Millionen US-Dollar, davon 100 Millionen garantiert. Es war der höchstdotierte Vertrag in der Franchise-Geschichte – und einer der teuersten überhaupt für einen Spieler jenseits der 35.

Besonders bemerkenswert: Cousins erhielt eine No-Trade-Klausel, also volles Mitspracherecht bei jedem potenziellen Teamwechsel. Dazu kam ein Signing Bonus von 50 Millionen Dollar sowie ein Cap Hit von rund 40 Millionen Dollar für 2025. Das machte ihn nicht nur zum Gesicht der Franchise, sondern auch zu einem potenziellen Cap-Albtraum, sollte das Projekt scheitern. Und genau das bahnt sich nun an.

Zwar wurde der Vertrag damals als Investition in eine neue Ära verkauft, doch schon zum Zeitpunkt der Unterschrift war klar: Dieses Commitment macht nur Sinn, wenn Cousins sich vollständig von seinem Achillessehenriss erholt  – und wenn er sportlich liefert. Beides ist inzwischen fraglich. Die finanzielle Konstruktion war ambitioniert, aber unflexibel. Kein Out vor Jahr drei.[3][4]

Die Saison 2024 – Zwischen Hoffnungen und Realitätseinbruch

Die Erwartungen an Kirk Cousins in Atlanta waren zu Beginn der Saison 2024 hoch – und zunächst schien sich der Plan auszuzahlen. Unter dem neuen Head Coach Raheem Morris starteten die Falcons mit einem soliden 5-3-Rekord. Cousins zeigte in den ersten Wochen typische Stärken: verlässliche Pocket-Präsenz, gute Entscheidungsfindung und ein sicheres Kurzpassspiel. In Woche 4 gegen die Tampa Bay Buccaneers warf er drei Touchdowns bei einer Completion Rate von über 70 %. Das Narrativ: Atlanta hat endlich Stabilität auf der wichtigsten Position gefunden.

Doch die Euphorie war nur von kurzer Dauer. Ab Woche 10 begann der Leistungsabfall. In einer fünf Spiele umfassenden Durststrecke warf Cousins mehr Interceptions (7) als Touchdowns (4), die Offense stagnierte. Vor allem gegen physisch starke Defenses (u. a. gegen Dallas und San Francisco) wirkte das Passing Game der Falcons eindimensional – und Cousins langsam, berechenbar, ja sogar überfordert. Kritiker begannen zu zweifeln, ob seine Spielweise noch in eine moderne NFL-Offense passt, die auf Mobilität und Kreativität setzt.

Ein Schulterstauchung aus Woche 13 (gegen die Jets) verschärfte die Situation zusätzlich. Doch als der Rookie Michael Penix Jr. in Woche 16 startete und das Spiel gegen Carolina souverän gewann, wurde klar: Der Wind hatte sich gedreht. Die Falcons beendeten die Saison mit einem enttäuschenden 8-9-Rekord und verpassten – trotz insgesamt schwacher NFC South – erneut die Playoffs. Cousins hatte in den letzten drei Spielen keinen einzigen Snap mehr gesehen.[5][6]

Die Entscheidung für Penix – Ein Neuanfang mit Ansage

Die Weichenstellung kam schneller und deutlicher als viele erwartet hatten. Nach dem enttäuschenden Saisonabschluss 2024 ließ Head Coach Raheem Morris in seiner Saisonabschluss-Pressekonferenz keinen Zweifel daran, dass Michael Penix Jr. ab sofort der Starter sein würde. Wörtlich sagte er: „Michael Penix ist unser Quarterback – und Michael Penix wird weiterhin unser Quarterback sein.“ Eine klare Botschaft, die in ihrer Direktheit fast schon ungewöhnlich war, vor allem angesichts des noch frischen Cousins-Vertrags.

Der Wechsel auf Penix war dabei nicht nur sportlich motiviert, sondern auch strategisch klug inszeniert. Der Rookie brachte frische Energie, vertikale Aggressivität und deutlich mehr Mobilität ins Spiel – alles Elemente, die der Cousins-Offense 2024 gefehlt hatten. Gerade in der red zone und bei broken plays überzeugte Penix mit Instinkten und Improvisationsfähigkeit, die bei Cousins zunehmend vermisst wurden. Die Fans waren schnell auf seiner Seite – und das Front Office nutzte die Gunst des Moments, um die Narrative zu drehen.

Bemerkenswert ist auch, wie früh sich das Coaching-Staff auf die Anpassung der Offense an Penix festlegte. In internen Sitzungen wurde bereits im Februar 2025 über neue RPO-Konzepte, Spread-Formationen und mehr Play-Action aus Bewegung diskutiert – ein Playbook, das deutlich besser zu Penix passt als zur statischen Pocket-Präsenz Cousins‘. Ein Umdenken, das in seiner Konsequenz auch als Eingeständnis gelesen werden kann: Die Offense 2024 war ein Irrweg – und Cousins womöglich nie der richtige Fit. [7][8]

Die aktuelle Situation – Funkstille, Frust und Trade-Gerüchte

Die Situation rund um Kirk Cousins spitzte sich im Mai 2025 weiter zu. Seine Abwesenheit bei den OTAs war kein Einzelfall, sondern offenbar Ausdruck tiefer Unzufriedenheit – und zunehmender Entfremdung zwischen Spieler und Teamführung. In der Organisation wird offen darüber gesprochen, dass Cousins seit Wochen keinen direkten Kontakt mehr zu Head Coach Raheem Morris oder GM Terry Fontenot hatte. Intern heißt es, er sei „frustriert über die mangelnde Kommunikation“ und fühle sich übergangen.

Die Gerüchte über einen möglichen Trade gewannen dadurch an Fahrt. Zwar besitzt Cousins eine No-Trade-Klausel, doch NFL-Insider berichten, dass er unter bestimmten Umständen zu einem Wechsel bereit wäre – vor allem, wenn er dort die Chance bekäme, umgehend als Starter zu spielen. Die Pittsburgh Steelers gelten in diesem Zusammenhang als heißer Kandidat: Nach der unklaren Zukunft von Aaron Rodgers und mangelndem Vertrauen in die bisherigen Backups könnte Cousins dort kurzfristig starten – und das Karriereende in Würde vorbereiten.

Die Falcons selbst geben sich indes betont ruhig – wohl auch deshalb, weil ihre Verhandlungsmacht durch den Vertrag Cousins stark eingeschränkt ist. Ein Trade wäre finanziell schwierig.

Cousins schweigt bislang zu all dem. Keine Social-Media-Aktivität, keine Stellungnahmen, keine öffentlichen Auftritte. In NFL-Kreisen wird diese mediale Abstinenz als bewusste Strategie gedeutet – ein stiller Rückzug, der Druck erzeugt. Ob es am Ende zu einem Trade kommt oder ob beide Seiten zähneknirschend auf Zeit spielen, bleibt offen. Sicher ist: Die gegenwärtige Situation ist für beide Parteien giftig – sportlich wie kommunikativ.[9][10]

Finanzielle Hürden – Wenn Vertrauen teuer wird

So groß der sportliche Bruch auch sein mag – das vielleicht größte Hindernis auf dem Weg zu einer klaren Lösung ist finanzieller Natur. Denn der Vertrag von Kirk Cousins wirkt im Mai 2025 wie ein Bleigewicht auf dem Salary Cap der Falcons. Der Cap Hit für die laufende Saison beträgt 40 Millionen Dollar, und selbst bei einem Trade oder Cut vor dem 1. Juni würde ein Dead Cap von 75 Millionen Dollar fällig.

Die Falcons könnten den finanziellen Schaden technisch gesehen ab dem 2. Juni strecken, was bei einem Trade bedeutet: Rund 27,5 Millionen Dollar Dead Cap 2025, weitere 47,5 Millionen im Folgejahr – eine bittere Pille, aber eine möglicherweise verkraftbare. Doch auch in diesem Fall bliebe Cousins der Spieler mit dem höchsten Dead Cap-Wert der NFL-Geschichte. Ein Rekord, den sich in Atlanta niemand gewünscht hat – und der General Manager Fontenot wohl noch lange anhängen wird.

Ein weiteres Problem: Potenzielle Trade-Partner sind rar. Viele Teams sind entweder auf Rookie-Verträgen unterwegs oder haben bereits eigene teure Quarterbacklösungen. Und selbst interessierte Franchises dürften kaum bereit sein, Cousins’ vollen Vertrag zu übernehmen. Die Falcons müssten vermutlich einen erheblichen Teil seines Gehalts übernehmen – ein weiteres Zugeständnis, das die eigene Verhandlungsposition schwächt. Der Vertrag, der einst Stärke ausstrahlen sollte, wirkt jetzt wie ein Schuldschein für sportliches Wunschdenken.

So verfestigt sich die Erkenntnis: Je länger der Stillstand anhält, desto teurer wird die Vergangenheit. Atlanta sitzt auf einem Vertrag, der sportlich nicht mehr trägt, sich aber finanziell kaum lösen lässt – zumindest nicht ohne erheblichen Gesichtsverlust. Und Cousins? Der hat wenig Anreiz, auf Gehalt zu verzichten oder aktiv zu werden – er verdient ohnehin, ob er spielt oder nicht. [11][12]

Ein teures Missverständnis

Die Saga um Kirk Cousins in Atlanta ist längst mehr als eine sportliche Personalie. Sie ist ein Lehrstück darüber, wie schnell Narrative kippen können – und wie gefährlich es ist, kurzfristige Hoffnung mit langfristigem Commitment zu verwechseln. Die Falcons wollten Stabilität, Erfahrung und Kontrolle auf der wichtigsten Position im Football – doch was sie bekamen, war Unsicherheit, Stillstand und ein Vertrag, der sie nun in Geiselhaft nimmt.

Was das Ganze besonders bitter macht: Die Entscheidung für Cousins war in ihrer Anlage weniger ein Risiko als ein Widerspruch. Ein traditioneller Pocket-Passer in einem Roster voller junger, dynamischer Playmaker. Ein Quarterback mit Limitierungen in einer Liga, die zunehmend auf athletische Alleskönner setzt. Und ein finanzielles Commitment ohne die Flexibilität, auf sich ändernde Umstände zu reagieren – etwa auf die aufkommende Faszination für Rookie Michael Penix Jr.

Cousins selbst ist dabei weniger Täter als tragische Figur. Er tat, was er immer tat: zuverlässig, diszipliniert, manchmal zu vorsichtig. Doch das reichte nicht – nicht in einem System, das mehr Bewegung, Kreativität und Spielmacherqualitäten verlangte. Dass er nun möglicherweise zum teuersten Backup der NFL-Geschichte wird, ist nicht sein Fehler – sondern der seines Arbeitgebers.

Ob die Geschichte noch eine Wendung nimmt – etwa durch einen Trade nach Pittsburgh oder eine spätsommerliche Verletzung anderswo – bleibt offen. Sicher ist nur: Atlanta steht exemplarisch für einen Typus Franchise, der zwischen Win-Now und Rebuild schwankt, ohne klaren Kompass. Und Cousins? Der bleibt einstweilen ein Denkmal. Für den Glauben, dass Geld Probleme löst. Und für die Realität, dass in der NFL kein Vertrag stärker ist als die Zeit.

Literaturverzeichnis:

Bleacher Report. (2025). How Kirk Cousins‘ $180M Contract Impacts Falcons Salary Cap if QB Traded or Cut in 2025. Abgerufen am 28. Mai 2025, von https://bleacherreport.com/articles/10147696-how-kirk-cousins-180m-contract-impacts-falcons-salary-cap-if-qb-traded-cut-in-2025

New York Post. (2025, 27. Mai). Kirk Cousins absent for start of Falcons‘ OTAs as trade buzz swirls around $180 million QB. Abgerufen am 28. Mai 2025, von https://nypost.com/2025/05/27/sports/kirk-cousins-absent-for-start-of-falcons-otas-as-trade-buzz-swirls-around-180-million-qb/

Pro Football Daily. (2025). Raheem Morris Sends Clear Message About Falcons‘ QB Plans In 2025. Abgerufen am 28. Mai 2025, von https://www.profootballdaily.com/raheem-morris-sends-clear-message-about-falcons-qb-plans-in-2025/

Reuters. (2025, 27. Mai). Falcons QB Kirk Cousins absent from voluntary OTAs. Abgerufen am 28. Mai 2025, von https://www.reuters.com/sports/falcons-qb-kirk-cousins-absent-voluntary-otas-2025-05-27/

Spotrac. (2025). Kirk Cousins | NFL Contracts & Salaries. Abgerufen am 28. Mai 2025, von https://www.spotrac.com/nfl/player/_/id/9915/kirk-cousins

The Falcoholic. (2025, 27. Mai). Kirk Cousins, Kyle Pitts not in attendance as Falcons begin OTAs. Abgerufen am 28. Mai 2025, von https://www.thefalcoholic.com/2025/5/27/24438143/falcons-kirk-cousins-kyle-pitts-attendance-otas-nfl-michael-penix

The Sun. (2025). Pittsburgh Steelers put on alert as $180 million Kirk Cousins makes his stance clear to Atlanta Falcons over NFL future. Abgerufen am 28. Mai 2025, von https://www.the-sun.com/sport/14335759/pittsburgh-steelers-kirk-cousins-aaron-rodgers-atlanta-falcons-future/

[1] Ney York Post, 2025

[2] Reuters, 2025

[3] Bleacher Report, 2025

[4] Spotrac, 2025

[5] The Falcoholic, 2025

[6] Reuters, 2025

[7] Pro Football Daily, 2025

[8] The Falcoholic, 2025

[9] The Sun, 2025

[10] Reuters, 2025

[11] Bleacher Report, 2025

[12] Spotrac, 2025

Teile den Artikel

Fabian Weigl beschäftigt sich seit mehreren Jahren intensiv mit der NFL und der NCAA und bringt seine Begeisterung für American Football in fundierte Analysen und Berichte ein. Durch die kontinuierliche Auseinandersetzung mit Teams, Spielern und Spielstrategien hat er sich ein Wissen über den Sport angeeignet.

Beruflich ist er im Controlling tätig. Mit seinem ausgeprägten Blick für Details und aktuellen Entwicklungen möchte Fabian Weigl seine Leidenschaft für Football weiter vertiefen.

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert